Das Publikum wollte ihn zum Schluss nicht gehen lassen. Aufgesprungen von den Sitzen holte es Alexander Yakovlev gleich nach dem letzten Klanggemälde aus Mussorsgskis «Bilder einer Ausstellung» zur Zugabe hervor, und eine wundersame Verwandlung war in der gut besuchten Klosterkirche Lennep zu spüren. Gerade noch herrschte tiefe Erschütterung über die Musikereignisse, die der Pianist mit seinem explosiven expressiven Temperament geschildert hatte. Die kriegerischen und historischen Ereignisse um das «Heldentor der alten Stadt Kiew» hatten tragödienhafte Stimmung erzeugt, da spielte plötzlich eine charmante und grazile, federleicht tändelnde Musik in rasender Geschwindigkeit. Der Pianist Alexander Yakovlev aus der berühmten Virtuosenschule Russlands verwandelte sich in einen mindestens so virtuosen, aber ganz anderen, heiteren Clown, der augenzwinkernd den Dialog mit dem Publikum aufnahm. Noch eine Zugabe, nochmal Scarlatti, dann Tschaikowskys Novemberimpression und dann noch die zauberhaften Marionettentänze aus Strawinskys Petruschka — alles ganz selbstverständlich. Die Besucher hatten das Gefühl, so könne es Stunden weiter gehen. Mit Mozarts nicht so bekannter Sonate KV 309 hatte dieses bemerkenswerte Konzert begonnen, in fröhlicher Raserei, mit rund und kullernd gespielten Klängen. Yakovlev lässt Satz auf Satz folgen, gönnt sich und den Zuhörern keine Pause, sondern zieht atemberaubend in den Zauber der Komposition. Stärkste Fortissimi, immer noch gesteigert, scheint er dem nun zu kleinen Flügel der Kosterkirche geradezu abzuzwingen, was den Ohren viel abverlangt. Aber dabei kommen die Feinheiten der Verzierungen nicht zu kurz. Nach dem andagiohaften Andante folgte im Geschwindschritt locker und federleicht das hübsche Rondo, in dem der Pianist wie ein Jongleur eine Unzahl von schillernden Bällen hüpfen und springen ließ, bis eine grummelnde Dunkelheit dem wilden Spiel eine Ende bereitete.
Yakovlev malt Musik aus in extrem expressiven Farben, so dass die «Sieben Fantasien» von Johannes Brahms von machtvollem Zorn bis zu hingebungsvoller Sanftheit das Spektrum romantischer Gefühlswelt aufscheinen ließen. Ungemeine Freude an der Schilderung prägten die berühmte Suite «Bilder einer Ausstellung» von Mussorgski. Auch sie wurden nahtlos aneinandergesetzt. So entstand eine sich steigernde Spannungskurve, mit den Zäsuren der vier «Promenaden».
Hinreißend das Marktgeschrei im Bild von Limoges, das zitternde Zwitschern im «Ballett der unausgeschlüpften Küken», die düstere, bedrängende Dämonie der «Catakomben» und der Totenlieder am Schluss vor der machtvollen Errichtung des Kiewer Heldentors. Alexander Yakovlev wird wieder kommen.
Quelle: RP www.rp-online.de